CfP "Hass - eine interdisziplinäre Betrachtung gesellschaftlicher Zerwürfnisse"
Hass - eine interdisziplinäre Betrachtung gesellschaftlicher Zerwürfnisse
Zeitpunkt: 20.-22. März 2017, Ort: Kassel.
Deadline: 20.01.2017
Das Thema Hass als Ressentiment-Äußerung hat Konjunktur. In den
sozialen Medien überbieten sich Akteure unterschiedlichster Provenienz
mit Hasstiraden und Schmähungen gegen das vermeintliche
„Böse“. Wer in diese Mühle gerät, bleibt zumeist schutzlos zurück.
Zunehmend denken Politik und Justiz darüber nach, das Internet zu
regulieren und soziale Medien wie Facebook oder Google in die
Pflicht zu nehmen.
Hass, Neid, Ressentiment und andere Emotionen gehören zu jenen
„affektiven Grundlagen sozialer Ordnung“ (von Scheve 2009), deren
Ursachen das „Dissozierende“, die Auslösung von Spannungen und
Gegensätzen, sowohl in vormodernen als auch in modernen Vergesellschaftungsformen hervorrufen (Simmel 1992: 285). Sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Befunden zufolge basieren Hass und andere Emotionen auf einem komplexen „System von Urteilen
über die Welt, über Menschen und unsere Stellung in der Welt“
(Solomon 1981: 239). Hass wird als zerstörender Bestandteil des Bewusstseins gedeutet, könne aber auch erfahrungsstrukturierende Lerneffekte auslösen. Emotionssoziologisch gewendet, gilt es, positivistische
und sozialkonstruktivistische Ansätze einzubeziehen, diese ggfs. auch zu vereinigen (Gerhards 1988 und Kemper 1981). Sozialpsychologisch und sozialtheoretisch ließe sich auf Studien zurückgreifen, die den gesellschaftlichen Wurzeln des Hasses und den
damit verbundenen autoritätsgebundenen Charakterstrukturen nachgehen
(Adorno 1972). Kulturwissenschaftlich gilt es, u. a. den Zusammenhang
zwischen Antisemitismus, Rassismus und Sprache (Klemperer 1947, Nduka-Agwu / Hornscheidt 2010) zu thematisieren. Neuere politik- und rechtswissenschaftliche Perspektiven erörtern die Rahmenbedingungen von Hassreden in liberalen Demokratien und deren rechtlichen Interventionsmöglichkeiten (Marker 2013).
Zunehmende gesellschaftliche Desintegrationstendenzen und menschenverachtende Einstellungen, bereits seit den 1990er Jahren
sichtbar (Heitmeyer et al 2011), verdeutlichen die Grenzen der Problemlösungskapazitäten westlicher Demokratien. Hass oder „Hate
Speech“ als scheinbar neuartiges Polarisierungsphänomen werden
durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise oder den politisch
und religiös motivierten Terror noch begünstigt.
Erst langsam entwickelt sich ein breiterer intellektueller Diskurs über
die gesellschaftlichen Wurzeln menschenverachtenden Gedankengutes
und dem damit verbundenen Destruktionspotenzial (Emcke
2016, Eribon 2016). Dabei stellen sich grundlegende Fragen, die für
den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der
Demokratie bedeutungsvoll sein können. Was kann die Wissenschaft
beitragen, um gegenwärtige Dimensionen des Hasses zu
deuten? Sind beispielsweise staatliche Regulierungen des Internets
und anderer Bühnen des Hasses sinnvoll? Werden Grundrechte dadurch
geschützt (Persönlichkeitsrechte) oder ausgehöhlt (Meinungsfreiheit)?
Welche wissenschaftlichen und politischen Konzepte gibt
es, um virtuellem, gefühltem und praktiziertem Hass zu begegnen?
Festzuhalten ist, dass erheblicher Forschungs- und Diskussionsbedarf
besteht, dem die Wissenschaftliche Tagung der Promovierenden
der Hans-Böckler-Stiftung ein Forum bietet. Im Mittelpunkt der internationalen Tagung steht ein interdisziplinärer Ansatz, der Hass unter anderem emotionssoziologisch, sozialpsychologisch und -ökonomisch, kultur-, politik- und rechtswissenschaftlich untersuchen soll.
Informationen zur Teilnahme
Die Wissenschaftliche Tagung der Promovierenden 2017 dient in
erster Linie als Plattform für Promovierende aller Begabtenförderwerke
und Nachwuchswissenschaftler*innen aus den Bereichen
der Geistes-, Kultur-, Rechts- und Sozialwissenschaften, um mit
Expert*innen der o. g. Phänomene (auch in einem interkulturellen
bzw. internationalen Rahmen) zu diskutieren.
Wir laden die angesprochenen Personengruppen aus dem In- und
Ausland herzlich dazu ein, sich mit einem Beitrag zu beteiligen.
Wir bitten um Zusendung eines Abstracts (maximal 500 Wörter) und
eines kurzen wissenschaftlichen Lebenslaufes bis zum 20.01.2017
an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Der Abstract sollte folgende Aspekte umfassen:
– Titel des Beitrages und wissenschaftliche Bezugsdisziplin(en)
– Erkenntnisziel und Fragestellung
– Gesellschaftspolitische Relevanz
– Kontaktdaten
– Kurzer CV
Eine Rückantwort bezüglich der eingegangenen Abstracts erfolgt
bis zum 25.01.2017. Eine wissenschaftliche Publikation ausgewählter
Tagungsbeiträge wird angestrebt. Ein Vortrag / Abstract ist nicht
Voraussetzung für eine Teilnahme an der Tagung. Erwünscht ist
allerdings ein Motivationsschreiben, aus dem Teilnahmeinteresse
und Fachexpertise hervorgehen. Die Hans-Böckler-Stiftung übernimmt
die Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten.
Eine Tagungsgebühr fällt nicht an.