Von Artenschutz bis Ökozid: Kriminologische Anschlüsse im Anthropozän
Call for Papers zu einem KrimJ-Schwerpunktheft 1/2026
Das geplante Hef gibt Gelegenheit, kriminologische Zugriffsweisen auf die Themathik des Artensterbens und dabei auch grundsätzlich das Verhältnis der Kriminologie zum Naturschutz zu entwickeln.
Im Schatten aller gegenwärtigen Krisen vollzieht sich derzeit ein massenhaftes Artensterben, dessen Dringlichkeit zwar wahrgenommen wird, dessen Tragweite jedoch noch nicht im gesellschaftlichen wie politischen Bewusstsein angekommen ist. Dies gilt auch für die kriminologische Auseinandersetzung. Während sich die deutschsprachige Kriminologie höchstens mit Wilderei und illegalem Wildtierhandel (z.B. Lohmann 2023) beschäftigt, findet in internationalen Diskursen eine rege Auseinandersetzung mit den Hintergründen des Artensterbens sowie den Rationalitäten, Potenttialen und Grenzen der Schutzmaßnahmen statt.
Ob als kritische Analyse internationaler Konventionen zur Regulierung des Wildtierhandels (Sollund 2023) oder zum Ausloten der Potentiale eines Ökozid-Straftatbestandes (Higgins 2013; Lorenzo & White 2019; Sollund 2020): Die Auseinandersetzung mit dem Verlust der Artenvielfalt prägt die Konturen neuer Sub-Kriminologien (z.B. Conservation Criminology, Gibbs et al. 2010; Wildlife Criminology, Nurse & Wya( 2020). Vertreter_innen einer Perspektive der politischen Ökonomie fokussieren dabei die anthropozentrische Ausbeutung planetarer Ressourcen und argumentieren für eine Kriminologie, die sich auf einer Makrobene mit den treibenden Faktoren des Aussterbens auseinandersetzen (Brisman & South 2020; Lynch 2020). Die stark rechtswissenschaftlich geprägte Conservation Criminology, die sich in den 2010ern neu gebildet hat, nimmt dagegen vor allem Mikro- Ansätze der situationsbezogenen Kriminalitätsprävention in den Blick (Gore 2017). So unterschiedlich die Ansätze auch sind, nehmen sie sich doch beide der Kern-Perspektive der Green Criminology an: Sie widmen sich den anthropogen verursachten Schäden, statt sich ihren Gegenstand durch das Festhalten an einer Legaldefinition vorgeben zu lassen. Dies befördert nicht nur die interdisziplinäre Bearbeitung des Themas, sondern auch, sich grundlegender und freier seinen Ursachen und seiner politischen Bearbeitung zu widmen.
Das geplante Heft gibt Gelegenheit, kriminologische Zugriffsweisen auf die Themathik des Artensterbens und dabei auch grundsätzlich das Verhältnis der Kriminologie zum Naturschutz zu entwickeln. Von der in Deutschland zu beobachten Instrumentalisierung des Naturschutzes durch die Neue Rechte, über durch den Wildtierhandel beförderte Zoonosen bis zur Kriminalisierung des Protests – die Bandbreite einer kriminologischen Beschäftigung mit dem Verlust der Artenvielfalt ist groß. Mit dem Ziel, nicht-speziesistische und zemiologische Perspektiven kriminologischer Theoriebildung weiterzuentwickeln (s. Bierne 1999), lädt das anvisierte Schwerpunktheft dazu ein, sich theorethisch, empirisch oder auch methodologisch mit einem der folgenden exemplarischen Themenbereiche zu beschäftigen:
- Rechte Vereinnahmung des Artenschutzes
- Kriminalisierung von Protestbewegungen
- Species justice / Nichtspeziesistische Kriminologie
- Viktimisierung der Tierwelt
- (Primäre und Sekundäre) Viktimisierung im Wildtierhandel
- Militarisierung des Naturschutz
- Extinction, Deextinction
- Ökozid
- Rechte der Natur
- Polarisierungen des Artenschutzes (Tierschutz versus Artenschutz etc.)
- internationale Konventionen zur Regulierung des Wildtierhandels
- Dekolonisierung des Naturschutz
Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler_innen sind ausdrücklich erwünscht. Nachfragen sowie Beitragsvorschläge in Form von Abstracts (ca. 300 Wörter) richten Sie
bitte an folgende Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Das Abstract sollte die avisierte Einreichungsrubrik des Beitragsvorschlags enthalten: Aufsatz (Umfang zw. 30-50.000 Zeichen incl. Leerzeichen); Diskussionsbeitrag oder Werkstattbericht, (beide je max 25.000 Zeichen incl. Leerzeichen). Aufsätze durchlaufen ein Double Blind Peer Review Verfahren. Weitere Details zu den Rubriken finden sich auf der Website des Kriminologischen Journals: https://www.krimj.de/index.php/de/beitraege-einreichen
Anvisierter Zeitplan:
Deadline Abstract: 28. Februar 2025
Rückmeldung zum Abstract/Aufforderung zum Artikel: 3. März 2025
Abgabe Artikel (mit max. 45.000 Zeichen incl. Leerzeichen): 30. April 2025
(Double Blind) Peer Review – bis Ende Juni 2025
Überarbeitung der Beiträge bis Ende August 2025
Erscheinen der Ausgabe: 1/26