Ausgabe Nr. 4/2023
Themenheft "Methoden kritisch-kriminologischer Forschung"
Inhalt
Editorial
Methoden kritisch-kriminologischer Forschung. Editorial zum Themenheft
Dörte Negnal & Nadine Jukschat
Aufsätze
Rassismuskritische Perspektiven in der kriminologischen Forschung
Laila Abdul-Rahman
Rassismus zu verstehen als Gesellschaftsstruktur zur hegemonialen Absicherung des Status Quo lenkt den Blick auf institutionelle Prozesse und Machtverhältnisse, die insofern kein neuer Gegenstand für die kritische Kriminologie sind. Der Beitrag geht daran anknüpfend der Frage nach, wie „rassismuskritisches Forschen“ in der Kriminologie realisiert werden kann. Dazu werden grundlegende Überlegungen aus Rassismusforschung, postkolonialen, Schwarz-feministischen sowie intersektionalen Theorien aufgenommen. Insbesondere der Umgang mit Reifizierungs- und Essentialisierungsrisiken wird diskutiert. Dabei wird die Perspektive von Rassismus betroffener Personen in den Mittelpunkt gestellt sowie die Notwendigkeit einer reflexiven Forschungshaltung hervorgehoben. Abschließend werden zentrale Punkte für eine rassismuskritische Forschung abgeleitet.
Situiertes Wissen, kritische Begegnungen und die Grenzen von Care. Methodologische Herausforderungen der Koproduktion von Wissen über Migration mit der Polizei
Philipp Schäfer
Kritische Untersuchungen zum Nexus Migration, Polizei und Wissen haben die Polizei als Produzentin wissenschaftlichen Wissens bislang kaum beachtet, sondern sich meist auf die operativen Aspekte von Polizeiarbeit konzentriert, weniger aber auf die reflexiven Aushandlungen, in die die Koproduktion von polizeilichem Wissen über Migration eingebettet ist. Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der feministischen Science and Technology Studies (Puig de la Bellacasa 2012) und der reflexiven Migrationsforschung (Bartels et al. im Erscheinen; Dahinden 2016) argumentiert der Beitrag, dass Kritik in kollaborativen Wissensformaten den Einsatz von Care erfordert. Anhand des Beispiels eines Lehrprojekts mit Polizei- und Migrationsforschungsstudierenden zeige ich, dass dies die Beteiligten solcher Formate mit doppelt-reflexiven Zumutungen konfrontiert, die sie dazu veranlassen, sowohl die Praktiken anderer Wissensproduzenten als auch die eigenen Vorannahmen zu hinterfragen.
Situationsanalytik und Kritische Kriminologie. Mittels der method(olog)ischen Entgrenzung ethnografischer Forschungsdesigns Komplexitäten adressieren
Lorenz Gottwalles
Die Situationsanalyse nach Clarke ermöglicht durch die Zusammenführung von Forschungsperspektiven eine methodische Entgrenzung qualitativer Forschungsdesigns. Entsprechend der Feststellung „action is not enough“ schlagen Clarke et al. (2018: 13) vor, mittels visueller Verfahren des Mappings nichtmenschliche, prägende Elemente wie Diskurse, Narrative, Aktanten usw. der Forschungssituation in ihrer Relationalität zu untersuchen und diskursive Positionen abseits ‚wissender Subjekte‘ zu analysieren. Der Beitrag stellt Potenziale dieser Method(ologi)e für die (Kritische) Kriminologie heraus und unterbreitet konkrete Vorschläge zur Integration dieser in Forschungsdesigns, eben für diejenigen Forschenden, die sich als auf der Suche nach dem gesellschaftlich ‚Anderen‘ bzw. dessen Konstitution, Disziplinierung und Repression verstehen.
Werkstattbericht
Kritisch-kriminologische Lehre in der Praxis: Anregungen aus dem Kurs „Kritische Radikalisierungsforschung“
Katharina Leimbach
Dieser Text stellt einen Bericht aus einem Kurs dar, der kritisch-kriminologisches Denken in Bezug auf Radikalisierung vermittelte. Als Dozentin des Kurses führe ich kurz in den Hintergrund des Textes ein und stelle den Ablauf des Seminars vor. Anschließend präsentieren einige der Kursteilnehmer*innen, was für sie im Kontext kritisch-kriminologischer Lehre gut funktioniert hat und was es braucht, damit kritische Denkprozesse bei Studierenden angeregt werden können. Es wurde kein bestimmter Kritikbegriff verwendet, sondern die Bedeutung einer kritischen Forschungshaltung gemeinsam im Kurs erarbeitet. Diese verstanden wir insbesondere als Reflexion der eigenen Standortgebundenheit, stetiges Hinterfragen von Prozessen der Wissensproduktion, Transparenz in Bezug auf die eigene Vorgehensweise und darin enthaltene Momente des Scheiterns sowie die Entwicklung alternativer Beschreibungen/ Lesarten in Bezug auf den beforschten Gegenstand.
Buchbesprechungen
Kai E. Schubert: Gesellschaftliche Spaltungstendenzen als Herausforderung. Beiträge zur Theorie und Praxis zeitgemäßer politischer Bildung für die und in der Polizei. (Linda Giesel)
Benjamin Derin, Tobias Singelnstein: Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Organisation. (Martin Thüne)
Tagungsbericht
Bericht zum Kriminologischen Sommerfest
Doreen Muhl & Dörte Negnal