Ausgabe Nr. 4/2014
Themenheft "Restrukturierung der Polizeien"
Jenny Künkel und Kendra Briken (Hrsg.)
Dieses Themenheft möchte die Tradition kritischer Sozialwissenschaften, erweitert um empirische Befunde der internationalen Forschung zu Polizeien sowie um poststrukturalistische Herangehensweisen aufgreifen. In den einzelnen Beiträgen werden Polizeien als Institutionen, die in westlichen Gesellschaften das Gewaltmonopol innehaben konzeptualisiert. Ein weiterer gemeinsamer Bezugspunkt ist die seit geraumer Zeit im Rahmen von Neoliberalisierungsprozessen zu beobachtende Restrukturierungsdynamik der Polizeien. Diese Restrukturierung wird in den Beiträgen als Projekt verstanden, das Wechselverhältnisse zwischen verschiedenen Ebenen (z.B. Diskurse, materielle Praktiken, Subjektivierungen, Organisationsstrukturen) und Machtverhältnissen beinhaltet. Im Feld der Polizei ist dabei auf allen Ebenen der gesellschaftliche Auftrag der Polizei als ausführende Kraft des Gewaltmonopols virulent und in den Forschungsprozess zu integrieren.
Inhalt
Editorial
Jenny Künkel/Kendra Briken
Aufsätze
Ein verbetriebswirtschaftlichtes Gewaltmonopol? New Police Management im europäischen Vergleich
Kendra Briken
Polizeien sind in den vergangenen Jahrzehnten entlang der neoliberalen Rationalisierungslogik restrukturiert worden. Sie werden in diesem Prozess, so die These dieses Beitrags, zur ausführenden Kraft eines zunehmend betriebswirtschaftlich bespielten staatlichen Gewaltmonopols. Diese Verbetriebswirtschaftlichung ist gekennzeichnet durch eine professionalisierte Produktion von Evaluationswissen sowie strategische Zielvorgaben. Am Beispiel von vier westeuropäischen Polizeien (Deutschland, England, Frankreich, Schweden) werden die Ausprägungen dieses New Police Management vorgestellt.
Pazifizierungsprobleme: Kriminalprävention macht Schule
Volker Eick
Mit der Skizzierung von drei zentralen Vorstellungen von Kriminalpräventionen - Prävention qua Repression (Recht), Vorfeldermittlung (Recherche) und Kommunaler Kriminalprävention (Raum) - wird gezeigt, dass deren Praxis in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Problematisiert wird, wie Kriminalprävention im Singular sich programmatisch als "floating signifier" durchsetzen konnte und, ohne polizeigesetzliche Grundierung, zur erlassgetriebenen Alltagsaufgabe der Polizei wurde. Die umfassende polizeiliche Pazifizierungsarbeit an Kindern und Jugendlichen wird in historischer Perspektive in und an Schulen exemplifiziert, um, basierend auf eigener ethnographischer Empirie, mit der Beschreibung und Analyse polizeilicher gewaltpräventiver Schulveranstaltungen zu zeigen, wie Recht, Recherche und Raum im Unterricht virulent werden. Es zeigt sich, dass die bestehenden Polizeigesetze solche Tätigkeit nicht tragen.
Transnationalisierungsprozesse in internationalen Polizeiprojekten: Wissenstransfer und Übersetzungsprozesse
Lars Ostermeier
Dem in der Literatur dominanten Modell des Wissenstransfers als Globalisierung westlicher Polizeiinstitutionen und westlichen Polizierens wird ein analytisches Modell der Übersetzungsprozesse gegenübergestellt. Dadurch können bisher wenig beachtete Phänomene internationaler Polizeiprojekte in den Fokus der empirischen Analyse gerückt werden. Die Analyse der Transnationalisierung der Polizei und von Polizieren als Übersetzungsprozesse setzt die Annahme voraus, dass es keine Blaupausen von Polizei und Polizieren gibt, die von A nach B übertragen und dadurch globalisiert werden. Vielmehr wird angenommen, dass Wissen in den internationalen Projekten übertragen wird, indem es verändert und angepasst wird. Dadurch kann das ethnozentrische Konzept der Transnationalisierung überwunden und durch eine Analyseperspektive ersetzt werden, die auch nach den Wirkungen der Transnationalisierungsprozesse im globalen Norden fragt.
Cop Culture Reloaded. Wandel und Persistenzen schutzpolizeilicher Macht
Jenny Künkel
Der Beitrag versteht polizeiliche Berufskultur (PBK) als Verdichtung gesellschaftlicher Verhältnisse in Form hegemonialer Subjektivierungen. Er zeigt starke Kontinuitäten in der PBK auf. Im Gegensatz zu physischer Gewalt und deutlichen Rechtsbrüchen bleiben diskriminierende Sprache (z.T. gegenüber der Klientel) sowie ‚discretion´ (z.T. jenseits des Rechts) unproblematisiert. Class profiling ist deutlich. Intersektionalitäten verlangen eine Redefinition von racial profiling.
Buchbesprechung
Dietlinde Gipser/Heiner Zillmer: "Der Fürsorge entkommen, der Forschung nicht." Das Lieselotte-Pongratz-Projekt "Lebensbewährung nach öffentlicher Erziehung" - Hamburger Kinder nach Krieg und Heim (Helga Cremer-Schäfer)