Jahrestagung Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle

Call for papers „Alles neu!? Problemsoziologische Perspektiven auf Semantiken und Praktiken sozialer Innovation und Transformation“

Jahrestagung der Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle in der Deutschen Gesell-schaft für Soziologie am 17./18.11.2023 in Hannover

Wenngleich Ideen, die gegenwärtig mit dem Begriff der sozialen Innovation belegt werden, selbst keineswegs Anspruch auf Neuigkeit erheben können (vgl. u. a. Popplow 2021), ist in jüngerer Zeit ein vermehrtes politisches wie auch wissenschaftliches Interesse an dem theo-retischen Konzept sowie entsprechend markierten empirischen Phänomen zu vermerken (Schüll et al. 2022; Howaldt 2022). Soziale Ungleichheiten, gesellschaftlicher Wandel und di-verse – aktuelle wie sich abzeichnende – Krisenphänomene (u. a. COVID-19-Pandemie, Kriege, Migrationsbewegungen, Klimawandel) leisten Diskussionen um soziale Innovation und Transformation zusätzlichen Vorschub. Diesen als miteinander verschränkt wahrgenomme-nen gesellschaftlichen Entwicklungen soll, zumindest auf programmatischer Ebene, durch so-ziale Innovationen begegnet werden – sie fungieren hier als „Instrumente gesellschaftlicher Gestaltung“ wie auch als Mittel zur „Steuerung sozialen Wandels“ (Schubert 2016: 409). Als konstitutiv für soziale Innovation gelten dabei Merkmale wie Anders- und Neuartigkeit sowie der Anspruch, gesellschaftliche Phänomene, Entwicklungen wie auch individuelle Lebensäußerungen unter „Bezugnahme auf gesellschaftlich hoch geachtete Werte und anerkannte Ziel-dimensionen“ (Schüll 2022: 33) zu einem ‚Besseren‘ zu beeinflussen.

 

Daran lässt sich mehreres festmachen: Zum einen wird deutlich, dass der politische, ökono-mische und kulturelle Begriffsgebrauch normativ grundiert ist; Innovation meint – zumindest gegenwärtig – meist etwas scheinbar selbstverständlich Positives (John/Aderhold/Bormann 2012: 7). Dies trifft nicht selten auch auf soziale Innovation als analytische Kategorie zu. Zum anderen bedarf der Innovationsbegriff grundlegend eines ‚Gegenübers‘: Er ist verwiesen auf je konkrete und als problematisch markierte Sachverhalte, die einer Intervention zuzuführen sind (z. B. Arbeitslosigkeit, Armut, Exklusion, Kriminalität). Wiewohl von problemsoziologischer Seite angemerkt wurde und wird, dass es sich bei sozialen Problemen um historisch wie kulturell kontextualisierte Phänomene handelt, deren ‚Lösung‘ ungewiss ist (u.a. Groenemeyer 2010; 2012), werden soziale Innovationen nicht selten als ebendies gerahmt: als „Beiträge […] zur Lösung sozialer Probleme“ (Schüll 2022: 32 f.), als „Reparaturinnovationen“ (Schubert 2016: 415; vgl. auch Howaldt/Schwarz 2010: 54) – die sich bei genauerer Betrachtung allerdings als gleichermaßen interessen- und definitionsabhängig darstellen.

Trotz dieses Verweisungszusammenhanges werden soziale Innovationen und soziale Prob-leme bislang weitgehend in differenten Diskursen verhandelt, ohne aufeinander Bezug zu nehmen. Dies nimmt die Tagung zum Anlass, soziale Innovationen aus einer problemsoziologischen
Perspektive auszuloten. Die nachfolgend dargestellten Themenbereiche und Fragen
können als Anknüpfungspunkte für Beitragseinreichungen dienen:

  • Wie lassen sich soziale Innovationen als (un)doing social problems fassen? Welche
    (Ent-)Problematisierungen werden sichtbar? Lassen sich Kontinuitäten von Problematisierungsdiskursen
    rekonstruieren? Welche ‚Problemgruppen‘ werden konstruiert?
    Welche (Re-)Essentialisierungen gehen mit sozialer Innovation einher?
  • Welche Diagnose-, Lösungs- und Mobilisierungsrahmen (Groenemeyer 2010: 29) werden
    in welcher Weise als Innovation angeboten? Welche claims über die ‚Natur‘ des
    Problems und mögliche Lösungen zeigen sich?
  • Wer betreibt Agendasetting? Stellt Innovationsforschung eine eigene Akteurin im
    „social problems game“ (Loseke, 2017) dar?
  • Welche Rolle spielen bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse bei der Definition
    sozialer Probleme und sozialer Innovationen? Wer darf sich wie positionieren (z.B.
    „Letzte Generation“; Klimaaktivist:innen)?
  • Wie funktionieren Diskurse sozialer Innovation? Wie werden Erneuerungsdispositive
    (z.B. ‚Nachhaltigkeit‘) wirksam?
  • Was wird sichtbar, wenn die Genese, Verbreitung und Institutionalisierung sozialer Innovationen
    in ihrer ambivalenten Bedeutung in und für gesellschaftliche Veränderungsprozesse
    in den Blick genommen wird?
  • Inwiefern lassen sich Prozesse der Problematisierung sowie sozialer Innovationen als
    Ausdruck neuer gesellschaftlicher Inklusionsdynamiken sowie damit verbundener
    Transformationen begreifen? Zeichnen sich hierbei umgekehrt neuartige Formen der
    Exklusion ab?
  • Welche Kontinuitäten werden in der Innovationsdebatte über Problematisierungsdiskurse
    sichtbar?

Abstracts (max. 2400 Zeichen inkl. Leerzeichen) zu den Tagungsbeiträgen werden – im Namen des Vorstandes der Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle – bis zum 28.04.2023 erbeten an:


Anke Neuber (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Holger Schmidt (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Literatur


Groenemeyer, Axel (2010): Doing Social Problems – Doing Social Control. Mikroanalysen der Konstruktion sozialer Probleme in institutionellen Kontexten – Ein Forschungsprogramm, in: Groenemeyer, Axel (Hrsg.): Doing Social Problems. Mikroanalysen der Konstruktion sozialer Probleme und sozialer Kontrolle in institutionellen Kontexten. Springer VS (Wiesbaden), S. 13-56.


Groenemeyer, Axel (2012): Soziologie sozialer Probleme – Fragestellungen, Konzepte und theoretische Perspektiven, in: Albrecht, Günter/Groenemeyer, Axel (Hrsg.): Handbuch soziale Probleme. Springer VS (Wiesbaden), S. 17-116.

 

Aktuelles

Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)

Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept - Erste Tagung des CiCS

Am 04. und 05. Oktober 2024 findet unter dem Titel "Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept" die erste interdisziplinäre und internationale Tagung des "Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)" an der Universität Siegen statt. Die Tagung ist zudem der öffentlich sichtbare und feierliche Auftakt für die Forschungsaktivitäten des Zentrums!

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Nachrichten aus der Redaktion

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Tagung am 07./08. September 2023

Die Tagung wird von Kollegiat*innen der ersten Kohorte des DFG-Graduiertenkollegs „Folgen sozialer Hilfen“ organisiert und findet am 7./8. September 2023 an der Universität Siegen (Campus Unteres Schloss) statt. Sie richtet sich an ein interessiertes Fachpublikum aus der theoretischen und empirischen Forschung der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. In Keynotes, Panelbeiträgen und Postersessions werden die folgenden Themenfelder vorgestellt und diskutiert:

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Kriminologisches Sommerfest 01.07. Berlin

Kriminologiches Sommerfest von GiwK und KrimJ am 01.07.2023 in Berlin

Die Zeitschrift Kriminologisches Journal (KrimJ) und die Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie (GiwK) lade ein zum Sommerfest mit Getränken & Snacks, Preisverleihung des Fritz-Sack-Preises und Buchvorstellung: Marxism and Criminology. A History of Criminal Selectivity von Valeria Vegh Weis.

Ort: Humboldt-Universität zu Berlin, Ziegeleistraße 4

Zeit: 16:00 Uhr

Die Teilnahme ist kostenlos. Für die Planung bitten wir um Anmeldung bis spätestens 20.06.23 unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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