Ausgabe Nr. 1/2022
Themenheft "Crimmigration - die Verschmelzung von Kriminalität und Migration"
Inhalt
Editorial
Crimmigration: die Verschmelzung von Kriminalität und Migration. Editorial zum Themeheft
Martina Althoff & Christine Graebsch
Aufsätze
Crimmigration and Pre-Crime in German Law. Connecting the International Debate to the German National (Legal) Context (Englisch)
Christine Graebsch
Den ursprünglichen Ausgangspunkt aktueller inter- und transdisziplinärer Debatten über crimmigration stellte eine kritische juristische Perspektive dar. Sie transzendierte die innerrechtlichen disziplinären Grenzen und wagte einen Blick auf das Gesamtbild strafrechtlicher und migrationsrechtlicher Eingriffsbefugnisse. Daraus resultiert eine Analyse, wie sich die Verflechtung mehrerer Rechtsgebiete nachteilig für die prozessualen Rechte der betroffenen Nicht-Staatsangehörigen auswirkt. Der Beitrag anerkennt die Wichtigkeit internationaler Ansätze in den aus der crimmigration-Debatte entstandenen, interdisziplinären border criminologies. Er plädiert allerdings dafür, auch rechtlich verfasste Praxen und sie legitimierende normative Programme im Krimmigrationsrecht nicht aus dem Blick zu verlieren. Er fordert dies besonders in Bezug auf den nationalen Kontext des deutschen Rechts, in dem eine solche Perspektive bisher weitgehend fehlt. Es werden Beispiele für eine solche Analyse gegeben, die das Recht als eine machtvolle (diskursive) Praxis ernst nimmt.
Getting to the Core of Crimmigration. The Imagined Reality that is Schengen (Englisch)
Maartje van der Woude
Die Zunahme von Migrationsbewegungen bleibt eine Herausforderung für die Europäische Union. In dem Beitrag wird vorgeschlagen, die Europäische Union und insbesondere das Schengengebiet als imaginierten Raum der Freizügigkeit und des einfachen Übertritts der internen Grenzen zu betrachten. Dieser Raum wird auf dem Papier als solcher präsentiert, in der Realität aber gilt die Reisefreiheit und die Abwesenheit von mit Grenzen verbundenen Praxen lediglich für diejenigen, die nicht als krimmigrantische Andere angesehen werden. Indem dieser Beitrag die Wechselbeziehung zwischen dem Phänomen der Crimmigration und der Konzeption des Ermessens präsentiert, zeichnet er eine etwas düstere Kritik an einer der wichtigsten Säulen der Europäischen Union.
Inside the State, against the State. The Critical Use of Legal Means by NGO Advocates inside French Immigration Detention Centres (Englisch)
Nicolas Fischer
Auf der Grundlage einer Dokumentenanalyse sowie ethnographischer Feldforschung analysiert dieser Beitrag Spannungen und Paradoxien, die von Jurist*innen einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation erfahren werden, die täglich innerhalb einer französischen Abschiebungshafteinrichtung arbeiten und rechtliche Hilfe für Abzuschiebende anbieten, die ihre zwangsweise Rückführung erwarten. Auf der einen Seite sind diese Jurist*innen Aktivist*innen, die ihre eigene Tätigkeit als kritische Interessenvertretung wahrnehmen, was sie dazu veranlasst, Abschiebungsanordnungen vor Gericht rechtlich anzufechten. Auf der anderenbSeite ist diese Mission aber eine solche offizieller Art, und diese zwingt sie, sich dem Stammpersonal der Anstalt anzuschließen und dessen Regeln zu akzeptieren. Diese strikt legalistische Perspektive stellt sowohl eine Stärke als auch Grenze ihrer täglichen Arbeit dar und verändert ihre Möglichkeiten, das Schicksal der eingesperrten Migrant*innen zu verändern.
Tagungsbericht
Crimmigration. On the Merger of Crime Control and Migration Control. Bericht zum Workshop vom 12. Oktober 2021. (Schorsch)
Buchbesprechungen
Katja Franko: The Crimmigrant Other. Migration and Penal Power (Redman)