Ausgabe Nr. 3/2023
Kriminologisches Journal 3/2023
Inhalt
Aufsätze
Policing the Overdose Crisis
Sandra Bucerius, Harvey Krahn, Kevin Haggerty, Luca Berardi & Rebekah McNeilly
The opioid overdose crisis in Canada continues to claim the lives of people who use drugs (PWUD). Historically, Canadian crime policy has prioritized crime control forms of surveillance, interdiction and punishment in response to drug use. More recently, harm reduction measures have gained traction, including safe consumption sites (SCS) and police officer use of Naloxone to assist PWUD who have overdosed on opioids. The effectiveness of harm reduction efforts, however, is to some degree contingent on their embrace or acceptance by police agencies and officers. This paper is based on research conducted on the two largest city-level police services in Alberta, Canada. We conducted 94 interviews with officers and had 1,406 officers complete a quantitative survey on issues relating to illicit drugs, overdoses, and fentanyl. Our findings show that police officers generally see opioid use as a serious problem and are concerned about the dangers they face when dealing with PWUD. There is also considerable confusion about the nature and severity of these dangers. Even so, attitudes appear to be shifting and some police officers are changing their practices. In general, our research documents a softening of police attitudes in Canada towards SCS facilities and harm reduction more generally. This greater embrace of a public health orientation could improve the lives of PWUD and their interaction with law-enforcement in Canada. Given the prospect that fentanyl and related synthetic opioids will continue their global spread, these findings should be of interest to an international audience of scholars, police, and healthcare officials.
Unterhaltsame Verhaltensdirektive. Über die Relevanz anthropomorpher Tierdarstellungen in der Drogenprävention
Tabea Louis & Bettina Paul
Drogenrisikokommunikation verortet sich wechselhaft im Spannungsfeld zwischen Kriminalisierung und ‚Healthismus‘. Der Rückgriff auf Tierdarstellungen zur Vermittlung der Risikobotschaften weist dabei eine historische Kontinuität auf, wie der Beitrag anhand zweier Fallstudien illustriert. Die Tiere treten in diesen Darstellungen als Personifikationen von Verhaltensdirektiven auf. Diese stehen im Kontrast zu Kampagnen, die auf direkte visuelle Abschreckung setzen, und werden von ihren Urheber* innen als emanzipatorisch verstanden. Damit werden Cartoon-Tiere in vielfältiger Weise zu einem antagonistischen Medium: sie versprechen Unterhaltung fernab von Direktiven, während sie mittelbar antizipierte Risiken legaler wie illegaler Drogen problematisieren.
Formen von Kriminalität. Zur historischen Hervorbringung differentieller Kriminalitätswirklichkeiten
Bernd Dollinger
Der Beitrag geht davon aus, dass Kriminalität nicht als gegebenes Datum für sich steht, sondern stets wahrgenommen und auf besondere Weise dargestellt wird. Dies erfolgt sehr unterschiedlich, beispielsweise in Form von Berichten, Statistiken, Abbildungen, Erzählungen usw. Jede dieser Formen besitzt Besonderheiten und prägt den Inhalt. Bezüglich dieser formabhängigen Darstellung von Kriminalität stellte sich um 1800 eine besondere Situation ein: Strafen sollten staatlich organisiert, instrumentell ausgerichtet sowie in ihrem Vollzug an der Subjektivität und Moralität von Bestraften ausgerichtet werden. Im Zuge dieser Ambition gewannen drei Formen der Darstellung von Kriminalität besondere Relevanz: Kriminalgeschichten, biografische Tabellen und Kriminalstatistiken. Diese drei Formen werden in dem Beitrag in ihrer Spezifik vorgestellt und miteinander verglichen. Es handelt sich um Darstellungsformen, die bis heute von Relevanz sind und miteinander um die Frage konkurrieren, wie Kriminalität dargestellt werden kann.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf – Sexualität als mehrdimensionales Tabu im deutschen Jugendstrafvollzug
Julian Knop & David Zimmermann
Vorliegender Beitrag beschäftigt sich mit dem Themenfeld von Sexualität und Gefängnis, indem sowohl verschiedene Tabuisierungsdimensionen der Gefängnis-Sexualität im Bereich des deutschen Strafvollzugs beschrieben als auch Erklärungsversuche für Tabuisierungsvorgänge präsentiert werden.
Rezensionen
Hans Dieter Schwind & Jan-Volker Schwind: Kriminologie und Kriminalpolitik. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen (Fritz Sack)
Matthew Bacon & Jack Spicer: Drug Law Enforcement, Policing and Harm Reduction. Ending the Stalemate (Lorenz Böllinger)
Dominik Hofmann: Impunität. Zur Frage, was es bedeutet, wenn nicht gestraft wird (Sebastian Scheerer)