Ausgabe Nr. 3/2024
Kriminologisches Journal 3/2024
Inhalt
Aufsätze
Vom Sachverhalt zum Datengehalt. Polizeiliche Rapportierungspraxis zwischen Einzelfall und Aggregatebene
Matthias Leese & Jonas Hagmann
Die digitale Transformation von Polizeiarbeit und das Erstarken höherer analytischer Ansprüche an Daten verändern polizeiliche Wissens- und Handlungspraktiken. Basierend auf qualitativer Feldforschung in einem Schweizer Polizeikorps zeichnet dieser Beitrag nach, wie tradierte Praktiken der Rapportierung unter dem Druck der zunehmenden differenzierten späteren analytischen Aufbereitung von polizeilichen Daten neu konfiguriert werden. Die Analyse zeigt dabei, wie Frontkräfte die neu gestellten Ansprüche an die Datengenerierung im Feld navigieren und wie die beobachteten Rapportierungspraktiken zu einer Neubewertung von Polizeiarbeit zwischen den Polen „Handwerk“ und „Wissenschaft“ führen.
Policing Space. Aufenthaltsverbote als Instrumente differentieller Raumproduktion im ‚kriminalitätsbelasteten Ort‘ Görlitzer Park/Wrangelkiez
David Amacher
Ziel dieses Artikels ist es, die Anwendungspraxis von Aufenthaltsverhaltsverboten nach § 29 Abs. 2 ASOG Bln im Görlitzer Park/Wrangelkiez in Berlin mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse basierend auf qualitativen Interviews und Dokumenten zu erforschen. Dabei werden Ansätze aus der kritischen Polizeiforschung sowie rassismuskritische und intersektionale Perspektiven verwendet, um die Konstruktions- und Ordnungsmuster der polizeilichen Verdrängungspraktiken und Raumproduktionen zu untersuchen. Die zentralen Ergebnisse der Forschung sind: 1) Die zunehmende Erteilung von Aufenthaltsverboten ist eingebettet in Verräumlichungsprozesse, die der ‚Kriminalität‘ und ‚Gefahr‘ einen spezifischen Raum zuschreiben. Raumbezogen Präventivmaßnahmen werden zum polizeilichen Modus Operandi. 2) Die polizeilichen Ausschlüsse durch Aufenthaltsverbote werden beeinflusst durch (kolonial-)rassistische und klassenspezifische Muster, die in der Folge einen Raum europäischen, bürgerlichen Weißseins herzustellen versuchen. 3) Über die Versicherheitlichung von gesellschaftlichen Marginalisierungsprozessen wird die Bekämpfung von ‚Drogenkriminalität‘ zu einem Vehikel örtlicher Gentrifizieungsprozesse.
"We have a situation“ - Von gefährlichen Einsatzlagen und ihren Problemlösern
León von der Burg & Johannes Ebenau
Als Reaktion auf die terroristischen Anschläge in Europa seit 2015 haben deutsche Polizeien eine landesweite Direktive implementiert. Sie führt einen flexiblen und skalierbaren operativen Rahmen ein, der zur Bewältigung der Herausforderungen des situativen Polizierens von lebensbedrohlichen Einsatzlagen befähigen soll. Neue Weiterbildungen sollen Streifenbeamt*innen darauf vorbereiten, aufkommende Bedrohungen zu erkennen und sie sofort zu bekämpfen. Bei teilnehmenden Beobachtungen dieser Weiterbildungen begegnete uns die polizeiliche Figur des Problemlösers. In Szenariotrainings ist sie daran beteiligt, eine neue Form der Subjektivität hervorzubringen, die situative Ungewissheiten annimmt, statt sie reduzieren zu wollen. Als Meister der Situation strebt der Problemlöser nach Perfektion, befreit sich aber von unrealistischen Erwartungen. Streifenbeamt*innen sollen den Problemlöser verkörpern, indem sie die Basics der Gefahrenbekämpfung perfektionieren und ihre eigene Wahrnehmung, ihr Gefahrenradar, schärfen. Problemlöser lassen sich von Erfahrungen der eigenen Verletzlichkeit und der Erkenntnis, dass nicht jede Bedrohung abgewendet oder verhindert werden kann, nicht verunsichern, sondern machen sie zu Grundlagen ihres Denkens, Erfahrens und Handelns.
Forschungsbericht
Strafvollzug, Medien, und institutionelle Logik: Ein Praxisbericht
Aaron Bielejewski
Tagungsbericht
(Ent-)Kriminalisierung: Tagungsbericht zur 5. Jahrestagung des Netzwerks Kriminologie in NRW am 21. und 22.03.2024 an der Universität Siegen (Göbel, Graf, Kiraz & Wetzel)
Im Gespräch
Kriminologie als Gesellschaftswissenschaft. Ein Gespräch mit Fritz Sack
Martina Althoff & Fritz Sack