Ausgabe Nr. 2/2015
Das Polizieren der Zukunft
Aldo Legnaro/Andrea Kretschmann
Predictive policing, wie es inzwischen auch in der Bundesrepublik an Bedeutung gewinnt, ist eine Entfaltung von Big Data und teilt damit eine sehr ähnliche Erzählung. Die Kritik an predictive policing bezieht sich vor allem auf die Sekuritisierung des Raumes, die Stereotypisierungen von Verdächtigkeit und die inhärente Auflösung der Unschuldsvermutung, aber die Verfahrensweise entfaltet zugleich eine Erzählung der unbegrenzten Kontrollierbarkeit von Zukunft, die aus realen Kontroll - intensivierungen, urbanen Pazifizierungsstrategien und medialen Verkündungen einer bedeutsam erhöhten Präventionskompetenz besteht. Wie die von Big Data ausgehende Erzählung auch handelt sie von Lösungen, die sich automatisiert lediglich mit den geeigneten Algorithmen erreichen lassen werden, was auf ein verunsichertes Publikum handlungsentlastend wirken dürfte.
"Aber das spricht man dann auch immer ab, ne?" Kommunikation und Entscheidung in der polizeilichen Aufklärungsarbeit
Sylvia Marlene Wilz
Entscheidungsprozesse sind ein grundlegender Bestandteil der alltäglichen Praktiken des Arbeitens und Organisierens. In der polizeilichen Arbeit werden Entscheidungen aber nicht als Entscheidungen thematisiert, sondern zugunsten einer Betonung des kollegialen Miteinanders und der Gleichrangigkeit aller Beteiligten zum Verschwinden gebracht: Werden Entscheidungen von Führungskräften getroffen, wird das als Übernehmen von Verantwortung gefasst; als Bestandteil der Ermittlungsarbeit gehen die Tatsache und der Vorgang des Entscheidens in der kollegialen Zusammenarbeit auf. Die vorliegende Fallanalyse zeigt exemplarisch, wie Entscheidungen im Kontext der Organisation Polizei getroffen werden und diskutiert, welches Verständnis von Entscheidung und Polizei damit verbunden ist. Damit möchte sie einen Beitrag zu einer empirisch orientierten Polizeiforschung leisten und zeigen, dass Entscheidungen interaktiv und kommunikativ zustande kommen.
Zur Lage der Kriminalsoziologie in Deutschland: Eine empirische Annäherung
Nicole Bögelein/Daniel Wolter
Dieser Beitrag schließt an den Befund an, dass die Kriminalsoziologie innerhalb des deutschen Hochschulsystems marginalisiert ist. Zunächst erfolgt eine Abgrenzung der Kriminalsoziologie von verwandten Gebieten, anschließend wird durch die empirische Analyse der Internetauftritte deutscher Hochschulen der Frage nachgegangen, wie der Schwerpunktbereich Kriminalsoziologie aktuell innerhalb der Soziologie institutionell eingebunden ist. Die Bestandsaufnahme ergibt nur noch einen Lehrstuhl für Kriminalsoziologie an der Universität Hamburg. An weiteren Hochschulen gibt es den Bereich im Rahmen von Lehre oder Forschung. Das Ergebnis wird im Hinblick auf den Stellenwert der Kriminalsoziologie innerhalb der Lehre und Forschung im Hochschulbereich eingeordnet.
Hanfanbau in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ergebnisse aus dem deutschsprachigen Global Cannabis Cultivation Survey
Bernd Werse
Im Rahmen einer internationalen Studie nahmen 1.561 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die größtenteils aktuell Cannabis anbauen, an einer Online-Befragung teil. Die überwiegend jungen Erwachsenen decken in erster Linie mit dem mehrheitlich unter Kunstlicht ausgeübten Anbau einen relativ hohen persönlichen Bedarf. Rund zwei Drittel konsumieren ausschließlich selbst bzw. geben Cannabis unentgeltlich weiter. Diejenigen, die einen Teil ihrer Ernte verkaufen, erlösen damit zumeist nur geringe Geldbeträge. Mit dem Eigenanbau wird in erster Linie beabsichtigt, Nebenfolgen des Cannabisverbots zu vermeiden. Das Risiko strafrechtlicher Auffälligkeit wird von fast allen Befragten als Problem benannt; rund jede/r Sechste war auch mindestens einmal davon betroffen.