Ausgabe Nr.1/2016
Themenheft "Methoden in der Kriminologie"
Inhalt
Vom Wert quantitativer Methoden für eine kritische Kriminologie
Walter Fuchs/Veronika Hofinger/Arno Pilgram
Der Beitrag ergründet eingangs die Skepsis, die in der Kritischen Kriminologie und der Cultural Criminology dem Zählen und Messen von Kriminalität bzw. der Anwendung quantitativer sozialwissenschaftlicher Methoden entgegengebracht wird. Es werden die erkenntnistheoretischen Einwände und politischen Vorbehalte gegen Bestimmungen der Kriminalitätslage anhand amtlicher Statistiken sowie ergänzender Surveys im Dunkelfeld dargestellt. Dem werden Strategien reflexiv-quantitativen Arbeitens jenseits von Positivismus und Affirmation des Kriminalisierungsgeschehens gegenübergestellt. Beispiele quantitativer Studien, die für die kritische Analyse von gesellschaftlicher Kontroll- und Sanktionspolitik ertragreich sind, werden präsentiert. Abschließend wird dem "Regieren mit Zahlen" als moderner Herrschaftstechnik Aufmerksamkeit gewidmet. Hier stellt sich die Frage der zeitgemäßen Beteiligung kriminologischer ExpertInnen, ihrer Kompetenzen und Aufgaben.
Kriminalitätskartierung als Methode der Kritischen Kriminologie?
Bernd Belina/Mélina Germes
Kriminalitätskartierungen werden weitgehend positivistisch und im Dienste bzw. von der Polizei betrieben. Unter Bezug auf die allgemeine Entwicklung von Theorie und Praxis des Kartierens diskutieren wir diese positivistische Variante der Kriminalitätskartierung, die konstruktivistische Kritik an ihr sowie neuere, praxeologische Alternativen, um Bedingungen und Möglichkeiten ihrer Anwendung in der Kritischen Kriminologie auszuloten.
Qualitative Forschung als verdinglichende Methode und Technik. Einige kritische Anmerkungen zur Karriere der Grounded Theory
Johannes Stehr
Grounded Theory hat sich von den reflexiven Prämissen des Symbolischen Interaktionismus gelöst und zu einer qualitativen Lehrbuch-Methodologie entwickelt, mit der für das eigene Forschen Autorität reklamiert werden kann. Der Umbau der Grounded Theory hat auf mehreren Ebenen einer Verdinglichung des Wissens Vorschub geleistet: Über die Lehrbuch-Grounded Theory werden Kodier- und Subsumtionsprozeduren als Auswertungstechniken ins Zentrum qualitativer Forschung gestellt, während zentrale Konzepte wie Interaktion und Narration sowie das Handwerkszeug der Interpretation als Momente einer reflexiven Forschung unterminiert werden. In der Konsequenz werden über die Anwendung der Lehrbuch-Grounded Theory soziale Phänomene eher der Verstehbarkeit entzogen und gesellschaftliche Konflikte und Widersprüche eher verdeckt als aufgedeckt. Im Kontext der ätiologischen Kriminologie wird die Lehrbuch-Grounded Theory überwiegend benutzt, um Normalitätskonzepte und hegemoniale Ordnungen zu affirmieren und um Problem- und Täter-Wissen zu generieren.
Drogentestanwendungen in Deutschland
Katja Thane/Simon Egbert/Monika Urban/Henning Schmidt-Semisch
Obgleich Drogentests in Deutschland bereits seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre zur Anwendung kommen, existieren bislang keine systematischen Erhebungen über die Breite und Verteilung der Anwendungskontexte. Im Folgenden werden erste Ergebnisse des DFG-Projektes Anwendungsrationalitäten und Folgen von Drogentests´ vorgestellt. Dabei zielt der Beitrag in erster Linie auf eine qualitative Bestandsaufnahme jener sozialen Kontexte, in denen in Deutschland Drogentests durchgeführt werden.