Ausgabe Nr. 1/2017
Kriminologisches Journal Heft 1/2017
Inhalt
Resozialisierung als Mittel zum Schutz der Allgemeinheit? Die programmatische Neuausrichtung der Bewährungshilfe
Christina Schlepper & Jan Wehrheim
In diesem Artikel wird die These entfaltet, dass mit der Ökonomisierung und dem daraus resultierenden Einzug von Qualitätsmanagement in die Soziale Arbeit die Tätigkeit der Bewährungshilfe neu kontextualisiert wird, indem sich seit den 2000er Jahren unterhalb der legislativen Ebene eine weitere Regelungsebene in Form von Qualitätsstandards der Sozialen Dienste der Justiz formiert, auf der die öffentliche Sicherheit und Opferschutz zu den Zielvorgaben der Bewährungshilfe erhoben werden. Mit dieser programmatischen Neuausrichtung der Bewährungshilfe wird Resozialisierung vom einst wohlfahrtsstaatlichen Ideal zum Mittel des Schutzes der Allgemeinheit degradiert. Es wird angenommen, dass diese Umdeutung als Folge des gestiegenen Legitimations- und Effizienzdrucks auf die Soziale Arbeit zu verstehen ist, und danach gefragt, wie sich das neue Verständnis von Resozialisierung auf der Deutungs- und Handlungsebene von Bewährungshelfer/innen niederschlägt.
Von Rockerhäuptlingen, Punks, Crash-Kids und Intensivtätern. Vier Jahrzehnte Konstruktion gefährlicher Jugend in der Hamburger Bürgerschaft
Dirk Lampe
Seit jeher sorgen sich Gesellschaften um den Zustand ihrer Jugend. Mittels der verschiedensten Methoden wird versucht, dem eigenen Nachwuchs den richtigen´ Weg zu weisen. Getragen von der Angst, was denn werden solle, wenn sich die Jugend nicht in die gewünschte Richtung entwickelt, steigern sich Gesellschaften von Zeit zu Zeit in Zustände erregter Thematisierungen von (unterstellter) juveniler Abweichung und Devianz. Britische Autoren wie Stanley Cohen (1972) oder Stuart Hall et al. (1978) haben entsprechende Prozesse als "Moralpaniken" charakterisiert. Auf Basis dieser theoretischen Vorarbeiten untersucht der vorliegende Artikel Diskurse über Jugendkriminalität in der Hamburger Bürgerschaft von 1968 bis 2011 mit einem besonderen Fokus auf Hochphasen der Thematisierung von Jugendkriminalität. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse werden in allgemeine jugendstrafrechtliche Entwicklungen und die akademische Debatte über einen punitive turn in Deutschland eingeordnet.
Diskussionsbeitrag
Die Krise der Arbeitsgesellschaft und die Rückkehr des repressiven Strafrechts. Zur Aktualität von Rusche/Kirchheimers "Sozialstruktur und Strafvollzug"
Andreas Stückler
Die klassische Studie von Rusche und Kirchheimer über "Sozialstruktur und Strafvollzug" wird in diesem Beitrag auf ihre Aktualität hin diskutiert. Deren zentrale These besagt, dass die Entwicklung des Strafrechts und der Strafvollzugspraxis maßgeblich vom gesellschaftlichen Bedarf nach Arbeitskräften abhängt. Es wird gezeigt, dass diese These - vorbehaltlich mancher theoretischer Mängel - Entscheidendes zu einem kritischen Verständnis aktueller punitiver Entwicklungen im Strafrecht beizutragen vermag. Demnach sind diese Tendenzen vor dem Hintergrund einer sich gegenwärtig verschärfenden "Krise der Arbeitsgesellschaft" zu sehen, die mit steigender Arbeitslosigkeit und fortschreitender Prekarisierung verbunden ist und - wenn auch international in unterschiedlichem Ausmaß - mit zunehmend repressiven Mitteln verwaltet wird.
Buchbesprechungen:
Max Hermanutz (Hg.): Gewalt gegen Polizisten - sinkender Respekt und steigende Aggression? Eine Beleuchtung der Gesamtumstände (Menzel)
Hans-Dieter Schwind: Kriminologie und Kriminalpolitik: Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen (Legnaro)
Florian Mildenberger (Hg.): Die andere Fakultät. Theorie - Geschichte - Gesellschaft (Peters)
Nicole Rafter: The Crime of all Crimes: Towards a Criminology of Genocide (Neubacher)
Manfred Rolfes: Kriminalität, Sicherheit und Raum. Humangeographische Perspektiven der Sicherheits- und Kriminalitätsforschung (Keitzel).