Ausgabe Nr. 2/2017

 

Themenheft "Soziotechnische Perspektiven für die Kriminologie"

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

Zur Einführung in das Themenheft: Über den Mehrwert soziotechnischer Perspektiven für die Kriminologie

Simon Egbert & Bettina Paul

 

"Stalked by the State": GPs surveillance technology and sex offender parolees

Emily I. Troshynski

Der Beitrag untersucht Global Positioning Systeme (GPS) in ihrem Einsatz in der Bewährungshilfe und bedient sich dabei einer technofeministischen Perspektive. Selbige betrachtet Technologien als Quelle und Konsequenz von geschlechtlichen Beziehungen. Bisherige Forschungen zu dieser Thematik fokussieren experimentelle oder quantitative Projekte, die die Effektivität der GPS-Überwachung in den Blick nehmen und das Ziel verfolgen, Rückfälle einzudämmen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich demgegenüber auf die Narrative von Sexualstraftätern in ihrem Erleben und Verständnis der GPS-Technologie. Hierzu zählen die Alltagserfahrungen mit der Technologie, die ihre Bewegungen verfolgt und überwacht. Auf der Basis eines qualitativ ausgerichteten Forschungsprojekts mit Sexualstraftätern in den USA, die lebenslange Bewährung erhielten, welche mittels GPS-Überwachung erfolgt, werden die Aspekte der negativen Gefühle der Forschungsteilnehmer_innen in den Blick genommen, ihre Erfahrungen mit Körpermodifizierungen und Responsibilisierungstechniken. Die soziotechnischen Beziehungen, in die die Teilnehmer_innen involviert waren, werden insbesondere mit Verweis auf Donna Haraway´s (1991) Cyborg-Metapher analysiert.

 

High-frequency trading and the technological constitution of anomie

Benedikt Lehmann

Der Artikel befasst sich mit der Entwicklung des algorithmischen Hochgeschwindigkeitshandels an den Finanzmärkten und analysiert diesen aus einer speziellen kriminologischen Perspektive von Anomie. Das Streben nach Geschwindigkeit und Automatisierung von Handelsaktivitäten erzeugt technische und organisatorische Bedingungen epistemischer Unsicherheit, welche zugleich neue Formen der Händler_innensubjektivität prägen. Zudem spielt Regulierung eine zentrale Rolle in den Eigenschaften und der Praxis von Finanzinnovationen und technologischem Wandel. In Verbindung mit Veränderungen in der Händler_innensubjektivität sind diese Entwicklungen als Teil eines Verlangens nach unbegrenzter und posthumaner Kapitalakkumulation zu verstehen, die technische und kulturelle Praktiken ins Leben rufen, welche dazu dienen, die schädliche Dynamik des Kapitalismus systematisch zu verleugnen.

 

Diskussionsbeitrag

Latour's troublemakers: a contribution to an object-oriented criminology

Stefano Mazzilli-Daechsel

Objektorientierte Ontologie reformuliert Realität als Zusammenspiel von Objekten, wobei weder Menschen noch nicht-menschlichen Entitäten Vorrang eingeräumt wird. Im folgenden Beitrag beziehe ich mich auf Bruno Latours Werk als beispielhaftem Ausdruck dieser aufkommenden Perspektive in gegenwärtigen kontinentaleuropäischen Diskursen. Dabei zeige ich auf, dass Latours Philosophie vor allem deshalb für die Kriminologie von Interesse ist, weil sie Widerspenstigkeiten und Widerstand theoretisch als ontologische Eigenschaften aller Entitäten begreift. Nach einer Ausführung dieser Argumentation werde ich auf grundlegende Implikationen für eine kriminologische Theoriebildung sowie die spezifischen Verzweigungen für eine ´Zemiology´ (Wissenschaft der Schadensorientierung) eingehen.

 

Forschungsbericht

Big Data in den Tropen. Über die Implementierung 'smarten' Polizierens in Sao Paulo, Brasilien

Claudio Altenhain

Während sich die sozialwissenschaftliche Analyse von Praktiken des Polizierens und der Überwachung allmählich gegenüber jüngeren Ansätzen aus der Techniksoziologie bzw. den Science and Technology Studies öffnet, muss gleichzeitig konstatiert werden, dass sich ein Großteil der entsprechenden empirischen Untersuchungen auf den nordatlantischen Raum (USA/Kanada und Westeuropa) beschränkt und andere Teile der Welt vernachlässigt. Im Folgenden widme ich mich dieser Leerstelle, indem ich die "Migration" einer Policing-Software von New York nach São Paulo fokussiere. Ich präsentiere die vorläufigen Ergebnisse meiner Feldforschung in Brasilien und hebe deren techniksoziologische Anknüpfungspunkte hervor.

 

Buchbesprechungen

Julian Genner: Vom Nackt- zum Sicherheitsscanner. Wie Sicherheit zu einer Ware wird (Zurawski)

Torsten Heinemann/Martin G. Weiß (Hg.): An der Grenze. Die biotechnologische Überwachung von Migration (Wolff)

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Aktuelles

Tagung 20. und 21. September 2024

50 Jahre Absage des 5. Deutschen Jugendhilfetages: Neue Zwäge - alte Potentiale?

„Die APO tanzte, die Reaktion kreischte und der Veranstalter distanzierte sich. So endete der
4. Jugendhilfetag 1970 in Nürnberg. Dieses Ende dokumentiert die Ohnmacht der etablierten Jugendhilfe, ihr ängstliches Schielen auf die der kapitalistischen Verfassung der BRD verpflichteten Politiker, die über weitere Subventionen der Jugendhilfeverbände zu entscheiden haben.“ (Kurt Sprenger 1974: Sozialarbeit und der 5. DJHT. In: Informationsdienst Sozialarbeit, Heft 6. Frankfurt: 35-38)

Tagung des Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit in Hamburg am 20. und 21. September 2024

 

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Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)

Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept - Erste Tagung des CiCS

Am 04. und 05. Oktober 2024 findet unter dem Titel "Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept" die erste interdisziplinäre und internationale Tagung des "Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)" an der Universität Siegen statt. Die Tagung ist zudem der öffentlich sichtbare und feierliche Auftakt für die Forschungsaktivitäten des Zentrums!

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„Erzählungen (in) der Kriminologie“

Tagung der Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie (GiwK)

Aufruf zur Beitragseinreichung für eine von der Gesellschaft für interdisziplinäre Kriminologie (GiwK) organisierte Tagung „Erzählungen (in) der Kriminologie“, die nach aktueller Planung im März 2025 stattfinden soll.

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Nachrichten aus der Redaktion

Mit dem Erscheinen von Heft 3/2023 haben sich folgende Veränderungen in der Redaktion des Kriminologischen Journals ergeben. Ausgeschieden ist Andrea Kretschmann, während Roman Thurn, Philipp Knopp und Nils Schuhmacher neu zur Redaktion gestoßen sind. Die Redaktion und der Herausgeber*innen-Kreis bedankt sich ausdrücklich bei Andrea Kretschmann für die geleistete Arbeit in den vergangenen Jahren. Andrea Kretschmann bleibt dem Kriminologischen Journal als Herausgeberin erhalten.

DFG-Graduiertenkolleg "Folgen Sozialer Hilfen"

Tagung am 07./08. September 2023

Die Tagung wird von Kollegiat*innen der ersten Kohorte des DFG-Graduiertenkollegs „Folgen sozialer Hilfen“ organisiert und findet am 7./8. September 2023 an der Universität Siegen (Campus Unteres Schloss) statt. Sie richtet sich an ein interessiertes Fachpublikum aus der theoretischen und empirischen Forschung der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. In Keynotes, Panelbeiträgen und Postersessions werden die folgenden Themenfelder vorgestellt und diskutiert:

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