Ausgabe Nr. 4/2017
Themenheft "Invarianzen der Devianzthematisierungen"
Inhalt
Über das Selbstverständliche. Invarianzen der Devianzthematisierungen
Helge Peters
Angenommen wird, dass nicht alle Handlungstypen mit gleicher Wahrscheinlichkeit als Devianz thematisiert werden (können). Um dies zu prüfen, werden sozial- und kulturanthropologische Texte durchgesehen, in denen abweichendes Verhalten in vormodernen Gesellschaften beschrieben wird. Es werden die von den Autoren erwähnten Handlungstypen, die als Devianz betrachtet werden, ermittelt. Berücksichtigt man auch die Devianzthematisierungen in modernen Gesellschaften, so erweist sich, dass Mord/Totschlag, Diebstahl und Inzest sehr oft als Devianz thematisiert werden - deutlich häufiger als die Wahrscheinlichkeit erwarten lässt.
Irritationen, Kommentierungen und Kritik der Überlegungen von Helge Peters zu "Invarianzen der Devianzthematisierungen"
Helga Cremer-Schäfer
Der Kommentar argumentiert gegen die Kritik, die Helge Peters an herrschafts- und ideologiekritischen Analysen von Devianz und Kriminalisierung übt; er geht auf Fragen der Kontinuität von gesellschaftlichen Grenzziehungen (Schließung und Ausschließung) in der Bürgerlichen Gesellschaft ein sowie auf die (auch wissenschaftlichen) Schwierigkeiten, individuelle und kollektive Grenzüberschreitungen anders als mit dem Vokabular von "Kriminalität" und "Devianz" zu begreifen. Eine Reflexion dieser Kontinuität der Produktion von "Außenseitertum" wird angeregt.
Die wissenschaftliche Konstruktion von Invarianzen
Jan Wehrheim
Helge Peters verweist in seinem Beitrag auf tendenzielle Invarianzen bei Thematisierungen von Devianzen. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass solche Invarianzen vermutlich das Produkt von Deutungen durch die unterschiedlichen Forscher*innen sind. Sie können als Produkt mehrschrittiger Kategorisierungen gelesen werden, die zu einer begrifflichen Homogenisierung unterschiedlicher Sachverhalte führen.
Zum Papier "Über das Selbstverständliche" von Helge Peters
Reinhard Kreissl
Der Beitrag setzt sich kritisch mit der These des universellen Verbrechens auseinander. Es wird argumentiert, dass die Suche nach gesellschaftsevolutionären Universalien nicht auf Verhaltensweisen abstellen, sondern universale soziale Prozesse identifizieren sollte, die einen nachhaltigen Vorteil für die Reproduktion von Gesellschaften darstellen können. Dies wird kurz skizziert anhand sozialer Praktiken der Reproduktion symbolischer Ordnung, die sich der Differenz konform/deviant bedienen.
Devianz und Herrschaft. Auf der Suche nach universellen Devianzthematisierungen verloren gegangener Zusammenhänge
Johannes Stehr
Die Frage nach Invarianzen von Devianzthematisierungen, die Helge Peters in seinem Beitrag formuliert und beantwortet, lässt sich produktiver wenden, wenn nicht nach universellen Devianzthematisierungen gesucht wird, sondern Diskontinuitäten und Kontinuitäten von Devianzthematisierungen in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden. Mit der Entstehung von herrschaftlich organisierten Gesellschaften ändern sich sowohl die Thematisierungs- als auch die Umgangsformen mit Devianz. Devianz kann in akephalen Gesellschaften als Ressource zur Abwehr von Herrschaft bestimmt werden, in staatlich organisierten Gesellschaften sind Devianzthematisierungen (mehr oder weniger) unmittelbar mit der Durchsetzung und Darstellung von Herrschaftsordnungen verbunden.
Die Entdeckung des Selbstverständlichen - auf der Suche nach dem Mehrwert
Birgit Menzel
Der vorliegende Kommentar formuliert methodische und methodologische Bedenken zum Beitrag von Helge Peters und zweifelt letztlich am wissenschaftlichen Gewinn der von Peters vorgetragenen Überlegungen.
Punitive Universalien oder Kehrt die Kriminalbiologie zurück?
Rüdiger Lautmann
Die These, es gebe unverrückbare Vorgaben für die Kriminalisierung, führt zurück in den soziologischen Funktionalismus und ins Naturrecht. Zum Nachweis müssten räumlich und zeitlich äußerst umfangreiche Kulturvergleiche angestellt werden. Überzeugender bleibt die Erklärung von Strafgesetzen auf dem Boden einer bestimmten Gesellschaft. Das wird hier gezeigt am Beispiel der widernatürlichen Unzucht´ im 19. Jahrhundert; diese Kriminalisierung erschien unausweichlich und geschah doch auf kontingente Weise.
Kaum Treffer
Helge Peters
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