Ausgabe Nr. 4/2018
Kriminologisches Journal Heft 4/2018
Inhalt
Beiträge zum Anlass des 50. Jahrgangs des Kriminologischen Journals
Kriminalität als Konflikt. Ein Notat
Johannes Stehr
Das Notat rekonstruiert die theoretische Relevanz einer Konfliktperspektive für die kritische Kriminologie und den Abolitionismus. Dargestellt wird die Produktivität einer kritischen Alltagsforschung, die auf der Ebene der Ereignisse Kriminalität als Konflikt analysiert und - insbesondere angesichts von populistischer Politik und Propaganda-Offensiven für staatliches Strafen - die Bedingungen und Möglichkeiten einer Wiedervergesellschaftung von Konflikten herausarbeitet
Elitäre Sekte. Zur Rezeption der interaktionstheoretisch orientierten Devianz- und Kriminalsoziologie
Helge Peters
In diesem Aufsatz wird die Rezeption der interaktionstheoretisch orientierten Devianz- und Kriminalsoziologie (iDKS) durch die großen deutschen soziologischen Zeitschriften untersucht. Es ergibt sich, dass diese Zeitschriften in den Jahrgängen 2013 bis 2016 die iDKS nicht rezipieren. In den Jahrgängen 1979 bis 1981 wird die iDKS dagegen rezipiert. Ein drittes Ergebnis besagt, dass die Zeitschrift Soziale Probleme die iDKS in den Jahrgängen 2013 bis 2016 nicht rezipiert. Angenommen wird, dass die Rezeption der iDKS sozial riskant ist - insbesondere, wenn es um Gewalt geht.
Aufsatz
Panische Züge: Die Skandalisierung von Gewalt in Computerspielen als Spielzug in Aufmerksamkeitsökonomien
Michael Dellwing
Der vorliegende Beitrag untersucht die Narrative, die sich um den putativen Zusammenhang von Computerspielen und "Gewalt" verfestigt haben. Obwohl diese Verbindung innerhalb einschlägiger Disziplinen, d. h. der Spieleforschung, der Medien- und Kommunikationswissenschaft, lange verworfen wurde, nehmen Spiele im öffentlichen, medialen und erzieherischen Blick dennoch weiterhin häufig eine Rolle als "Gefährder" ein. Dabei möchte dieser Beitrag zunächst festzustellen, wie dieser Gefährdungsdiskurs strukturiert ist, um dann zu bemerken, dass dieser eine Konsequenz mit sich bringt: Er lässt sich in Aufmerksamkeitsökonomien als Währung nutzen, um Erfolg zu generieren, womit er jedoch Menschen, die die Kulturpraxis des Spiels betreiben, schädigt - vor allem jene, die in machtunterlegenen Positionen den Deutungen von Institutionen ausgesetzt sind.
Diskussionsbeitrag
Polizeiliche Maßnahmen gegen Hells Angels und andere "Outlaw Motorcycle Gangs" (OMCG) - Inszenierte Repression am Rande der Legalität?
Thomas Feltes und Paul Reiners
Der Beitrag beschäftigt sich mit verwaltungsrechtlichen und polizeilichen Maßnahmen gegen Mitglieder der Hells Angels und anderer sog. Outlaw Motorcycle Clubs (OMCG) in Deutschland. Die Maßnahmen werden wesentlich mit internen Berichten des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg und von EUROPOL begründet. Es wird gezeigt, dass diese Dokumente nicht als Grundlage für verwaltungsrechtliche, polizeirechtliche oder strafprozessuale Entscheidungen herangezogen werden können. Es handelt sich dabei vielmehr um interessengeleitete Zusammenstellungen, mit denen inszenierte Repressionen legitimiert und eine symbolische Verfolgungspolitik flankiert werden. Mitglieder von Rockergruppen wie den Hells Angels werden benutzt, um vom Erfolgsmangel der Strafverfolgung in Bereichen der Organisierten Kriminalität abzulenken.
Tagungsberichte
"Counter-/Narratives of Punishment and Criminal Justice". Bericht über das Symposium an der Universität Siegen vom 21. bis 23. Juni 2018 (Schirmer)
Buchbesprechungen
Stephen Quensel: Ketzer, Kreuzzüge, Inquisition. Die Vernichtun der Katharer und Hexen, Satan, Inquisition. Die Erfindung des Hexen-Problems (Hess)
Stephan Quensel: Irre, Anstalt, Therapie. Der Psychiatrie-Komplex (Lutz)
Veronika Hofinger: Die Konstruktion des Rückfalltäters. Von Lombroso bis zu den Neurowissenschaften (Wehrheim)