Ausgabe Nr. 2/2019
Kriminologisches Journal Heft 2/2019
Inhalt
Aufsätze
Der Umgang mit Kriminalität auf parteipolitischer Ebene. Eine Auswertung von Wahlprogrammen
Helmut Kury und Jördis Schüssler
Vor dem Hintergrund empirischer Untersuchungen wird die Entwicklung des parteipolitischen Diskurses zum Thema Kriminalität in Deutschland dargestellt. Seit der Jahrtausendwende zeigt sich auf parteipolitischer Ebene eine deutliche Hinwendung zu sanktionsorientierteren Reaktionen und Lösungsmustern von straffälligem Verhalten. Die Berücksichtigung wissenschaftlicher Ergebnisse zu der Thematik geht zurück, die Politik orientiert sich mehr und mehr an der Medienberichterstattung. In einer eigenen Untersuchung werden die Bundestagswahlprogramme der großen im Bundestag vertretenen Parteien der letzten Jahre hinsichtlich der Vorschläge zur Kriminalprävention untersucht. Die Hinwendung zu punitiveren Reaktionsformen kann vor allem für die konservativen Parteien bestätigt werden.
Eine Tyrannei der Öffentlichkeit. Drei Schritte der subjektiven Aneignung therapeutischer Narrative
Martin Harbusch
Ausgehend von einer wissenssoziologischen Thematisierung psychischer Störungen und empirisch untermauert mit exemplarisch zu verstehenden Interviewsequenzen wird im vorliegenden Artikel interpretativ nachgezeichnet, welche Konsequenzen psychosoziale Beratungs- und/oder Therapiesettings für biographische Erzählungen haben. In drei Schritten der Aneignung führen die erlernten Erzählfiguren die Interviewten zu Formen (selbst)entfremdender Subjektivierung. Als zentrales wie komplexes Spannungsfeld in den Erzählungen entfaltet sich dabei besonders das Verhältnis zwischen einer Intimisierung öffentlicher Zusammenhänge bei oftmals gleichzeitiger Dominanz öffentlicher Inhalte für die Konstruktion von Privatheit.
Pädagogische Strafe oder strafende Pädagogik? Eine qualitative Bestimmung von Krisenursachen in Jugendstrafsystemen am Beispiel Kolumbiens
Markus Ciesielski
Die vielschichtigen Ansprüche moderner Jugendstrafsysteme bergen ein besonderes Krisenpotential. In diesem Beitrag wird das Jugendstrafrecht in Kolumbien betrachtet, dessen Rechtspraxis die eigenen Anforderungen bisher verfehlt. Um mögliche Krisenursachen zu eruieren, werden Prozesspraktiken im Jugendstrafprozess unter Verweis auf den Feldbegriff von Pierre Bourdieu und auf Basis von 27 qualitativen Interviews mit Prozessakteuren rekonstruiert. Dabei erweist sich die Umsetzung pädagogischer Gesetzesansprüche als Abhängigkeit von strafenden Ansprüchen. Indem diese Zusammenhänge schließlich auf den institutionellen Hintergrund bezogen werden, zeigt der Artikel eine Möglichkeit, komplexe Krisenursachen in modernen Jugendstrafsystemen aus soziologischer Perspektive zu beleuchten.
Diskussionsbeitrag
Der Ausnahmezustand als rechtssoziologische Analyse. Ein Debattenbeitrag
Anne-Marlen Engler
Der Artikel untersucht den Ausnahmezustand als rechtssoziologische Analysekategorie. Die Autorin übt dabei eine Kritik an rechtswissenschaftlichen Veröffentlichungen, die die Ausnahme vom Recht als verallgemeinerbares rechtssoziologisches Strukturmerkmal in der Kriminologie fassen versuchen, ohne deren normative Implikationen zu beachten.
Buchbesprechungen
Geoffroy de Lagasnerie: Verurteilen. Der strafende Staat und die Soziologie (Dollinger)
Sophie Perthus: Von der Gefahrenabwehr zur sozialräumlichen Risikokalkulation. Kommunale Kriminalprävention in Leipzig-Connewitz im Dienste der Inwertsetzung des Stadtteils 1990-2014 (Lauber)
Michael Fischer/Robert Pelzer: Die Logik des Anschlags. Zur Zielwahl dschihadistischer Terroristen in Europa (Legnaro)